Daraus hergestellt: Eine meist unbekannte und oft missverstandene homöopathische Arznei.
Der Fliegenpilz stach dem Menschen immer schon ins Auge durch seinen auffällig roten Hut mit den weissen Punkten. Diese rote Kappe als mysteriöses Symbol finden wir wieder z.B. in der Mütze des Gartenzwerges bis hin zur roten Kopfbedeckung von Santa Claus.
Die alkoholrauschartige Bewusstseinsveränderung nach Genuss des Pilzes hat die Menschen natürlich immer interessiert und wahrscheinlich auch zu dessen Entwicklung als Glückssymbol beigetragen.
Ob Sylvester, Ostern oder einfach „nur so“: Auf Glückwunschkarten ist der Glückspilz abgebildet, wird als Figürchen in den Glücksklee gesteckt und dem ebenfalls glücksbringendem Zwerg mit der roten Mütze an die Seite gestellt.
Beschreibungen der Beeinträchtigung der Sinnesorgane nach dem Pilzgenuss finden wir in Märchen, u.a. in Alice in Wonderland. Hier wird nach einem „Knabbern“ an dem Pilzhut z.B. der Eindruck einer Größenveränderung des Körpers verbildlicht, der ebenfalls in den homöopathischen Arzneimittellehren beschrieben wird.
Auffällige, „laute“ Farben sind im Tier-und Pflanzenreich oft der Warnhinweis für Fressfeinde vor einer Giftgefahr – auch der Fliegenpilz gilt in der Volksmeinung mit seiner auffälligen Färbung als tödlich giftiger Pilz. Der Wirkstoff, das Gift, ist aber sehr unterschiedlich im Pilz selbst verteilt, insgesamt stark wechselhaft in der Konzentration und die Dosis letalis (Todesdosis) ist ziemlich hoch: Wer isst schon mal ein ganzes Kilogramm Pilze auf einmal?
Pilz – Gift – Fliegenpilz: Man stellte früher gerne eine Schüssel Milch mit den darin eingeweichten Giftpilzen auf den Tisch, damit die Fliegen darin umkämen… leider wurden die Insekten nur berauscht und krabbelten nach einer Weile wieder heraus.
Wikipedia beschreibt die Vergiftungszeichen:
„Diese Symptome zeigen sich nach der Einnahme von Muscimol, dem Hauptwirkstoff des Fliegenpilzes, der während der Trocknung des Pilzes aus Ibotensäure entsteht: Es löst in Mengen um 15 Milligramm (hier fehlt es ein wenig an der Präzision der Maßeinheit bei Wikipedia, aber das ist uns hier egal, der Rest ist gut…) zentralnervöse Störungen mit Schwindel, Benommenheit, Unruhe, Angstgefühle, Ataxie, Muskelkrämpfen, Lähmungen, starker Erregung, Delirium, euphorischen oder dysphorischen Verstimmungen, Schläfrigkeit, Behinderungen im motorischen System, Verminderung der Konzentration, Erhöhung der emotionellen Spannung, Derealisation und Depersonalisationsphänomene und Veränderungen im Raum-Zeit-Erleben mit allen Eigenschaften einer Modellpsychose aus.
Agaricus muscarius ist ein Deliratium (verursacht also ein Delirium) mit den entsprechenden Bewusstseinstrübungen sowie einem Realitätsverlust.“
Diese ganzen Symptome finden sich mehr oder weniger auch in den homöopathischen Arzneimittellehren wieder – und dazu noch ein paar wichtige weitere Symptome – sehen wir einmal kurz hinein:
KurzzusammenfassungPrisma/Vermeulen:*Bevorzugt befallene Körperteile:
Wirbelsäule (Occiput,
Nerven, Lumbalregion), Peristaltik,
Herz, Kreislauf,
Respiration, Brust, rechte Seite, linke Seite
Will nicht arbeiten
Angst, Unruhe
Ist albern, singt, reimt, verhält sich grotesk (wie bei Alkoholgenuss!)
Steigende Lustigkeit mit ungewöhnlichen Körperkräften und geistigen Kräften
Zittern, Muskelzucken (MS, Parkinson, Chorea minor, Tic)
Lähmungen mit Muskelzucken – Blasenlähmung
Harninkontinenz- Mastdarminkontinenz
Schielen – Nystagmus, Akkomodationsstörungen
Peristaltik gestört
Seitenstechen
Schwäche nach Koitus. Schwitzen, Rückenschmerz
Angina pectoris
Juckreiz, Kribbeln und Krabbeln insgesamt
Hautjucken auch ohne Ausschlag
Kältegefühl der Haut
Erfrierungen, Verbrennungen
Causa:
Erfrierung, geistige Anstrengung, Überforderung, Aufregung, Schreck, sexuelle Exzesse, Koitus
Schlechter:
Kalte Luft, vor Gewitter, Sturm, Ausschweifungen, Alkohol, Sonne, Schreck, nach dem Essen, nach Bewegung, geistige Erschöpfung, Koitus
Besser:
Langsame Bewegung, Abgang von Stuhl und Harn, Aufstossen
Es werden also zunächst sehr viele psychische – und Beschwerden der Nerven angeführt, aber in der Beschreibung der befallenen Körperregionen finden sich herausgehoben die Wirbelsäule und das Occiput und die Lumbalregion.
Die Nerven und nervöse und psychische Symptome sind sicherlich wichtig bei dieser interessanten Arznei, sie werden bei vielen namhaften Autoren wie z.B. in der Arzneimittellehre von Vithoulkas** fast ausschließlich dort als Charakteristikum der Arznei beschrieben, aber sie hat noch andere Vorzüge.
Deswegen hier mein Kommentar:
Dr. No: Dieses Arzneimittel wird oft auf die psychische Ebene reduziert, das ist schade, denn es ist ein hervorragendes Mittel für Probleme des Bewegungsapparates im oberen Wirbelsäulenbereich, bei schiefstehendem Sternum, Wirbelblockaden im Hals- und Brustwirbelbereich und auch Schmerzen im unteren/hinteren Wirbelsäulenbereich.
Hier steht natürlich das Pferd im Fokus: Wirbelblockaden, ungeklärte Lahmheiten im Schulter-, Vorhandbereich, Berührungsempfindlichkeit der Wirbelsäule lassen viele Therapeuten an ihre Grenzen stossen.
Headshaker, widersetzliche Pferde, „nervös“ „irre“, „weggetreten wie besoffen“, „kann nicht stillstehen“, „ist gefährlich“ – diese Beschreibungen können auf das Arzneimittel Agaricus muscarius hinweisen.
Unerklärliche Unrittigkeiten, Probleme, wenn der Sattel kommt… bitte betrachten Sie die Arzneimittellehre von Agaricus muscarius bei den Beschwerden des Bewegungsapparates, um diesen Patienten zu helfen.
Sie werden oft Erfolg haben.
Nervenbeeinträchtigungen durch Traumata, Erfrierung und Verbrennung, ein nervlich gestörtes Temperaturempfinden bzw.- regulation, Parästhesien, Lähmungen im Magen-Darmtrakt, im Bereich der Blase oder der Augenmuskeln zeigen die Nützlichkeit von Agaricus bei Erkrankungen wie MS, Parkinson, Chorea minor, Tics etc. an.
Und – der im Anhang befindliche Fall von ADHS ist ein schönes Beispiel, wie hier der „Glückspilz“ dem Menschen helfen kann.
Kind ADHS***Eric war sehr unruhig. Wurde auf Ritalin eingestellt. Dennoch war die Unruhe nicht weg. Er hörte nicht zu, stand ständig auf. Die Nacht war ebenfalls nicht erholsam. 2-3 mal in der Nacht wachte Eric auf und weckte das ganze Haus auf. Er stand auf und rannte und hüpfte lautstark durch die ganze Wohnung.
• Therapie: Agaricus C 30, zweimal täglich 5 Globuli
Nach der ersten Woche wachte Eric noch auf, aber rannte und hüpfte nicht mehr herum. Eine Woche später schlief er durch, allerdings war die Unruhe nicht weg.
• Erhöhung auf dreimal täglich 5 Globuli
Nach zwei Wochen war die Unruhe weniger, das ständige Umherlaufen, wurde langsam besser. Es war in einem erträglichen Maße. Dosierung wie gehabt.
Nach vier Wochen wurde Eric ruhiger. Die Eltern wagten es aber nicht, das Ritalin abzusetzen. Beim nächsten Kinderarzt-Termin meinte der Doc, dass sie das Ritalin reduzieren könnten. Erst dann haben die Eltern es reduziert. Der positive Zustand hielt an.
• Reduzierung von Agaricus auf zweimal täglich – Zustand blieb weiterhin positiv.
• Nach weiteren drei Wochen reduzierte ich auf einmal täglich. Der Zustand blieb weiterhin positiv.
Endzustand nach einem halben Jahr Agaricus: Ritalin auf der minimalsten Dosis.
• Agaricus nur noch zweimal in der Woche.
* Frans Vermeulen Prisma, 2002, Emryss by Publishers, Haarlem
** George Vithoulkas: Materia medica viva, Ulrich Burgdorf Verlag, Göttingen, elektronische Lizenzausgabe
*** Fallbeschreibung von Avana Eder, Heilpraktikerin, Tierheilpraktikerin, AnsbachCave: Dieser Artikel soll nicht zum Verzehr von Ascarius muscarius ermuntern! Die Inhaltsstoffe des Fliegenpilzes lösen Vergiftungserscheinungen aus.